Im August fand ein Treffen der Amazonas-Anrainerstaaten in Belém, Brasilen, statt. Das Ziel: Die Abholzung des Regenwaldes zu beenden, eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten, die indigenen Völker zu schützen und deren Rechte zu achten. Schlagzeiten in den Medien dazu: „Amazonas-Staaten gründen Allianz zur Bekämpfung der Abholzung und auch Amazonas-Gipfel sorgt für Ernüchterung bei Umweltschützern“.

Ein Anrainer Staat ist Ecuador, dort ist die Natur seit 2008 mit besonderen Rechten ausgestattet.

Im Jahr 2008 wurde eine Volksabstimmung für die bis heute gültige Verfassung durchgeführt. In diese Verfassung wurden auch die „Rechte der Natur“ aufgenommen, das ist bisher weltweit einmalig! Der Natur werden damit eigenen Rechte gewährt: die Respektierung ihrer Existenz, Aufrechterhaltung und Regelung ihrer Lebenszyklen, Recht auf Wiederherstellung. Diese Rechte der Natur legen die indigene Weltsicht als Maßstab des Handelns zugrunde. Die indigene Weltsicht wird mit den Worten das „Gute Leben“ – Buen Vivir oder auch Sumak Kawsaychua ausgedrückt und legt den Plurinationalismus zugrunde. Das Referendum fand im zweiten Jahr der ersten Präsidentschaft von Rafael Correa statt.

Zeitgleich machte die ecuadorianische Regierung den Vorschlag, im Rahmen des Schutzes des Amazonas das unter dem Nationalpark Yasuní lagernde Erdöl nicht zu fördern, wenn die Industriestaaten dafür einen Ausgleich zahlen. Der entsprechende Fond sollte von der UNO verwaltet werden. Da die Industrieländer kaum Geld einbezahlten, hatte die Initiative keinen Erfolg. Die Industrieländer fordern gerne Umweltschutz von den lateinamerikanischen Staaten ein, aber es hapert am konkreten Handeln, sprich der Bereitstellung von Geld. Als Ecuador sich nach der Weigerung der Industrieländer, den Fond zu finanzieren, dazu entschloss, Erdöl im Yasuní Nationalpark zu fördern, war das grüne und umweltschützerische Aufheulen auch in der BRD immens. In der BRD stehen weniger als 1% der Landesfläche unter Schutz, in Ecuador sind es rund 20%.

Die „Rechte der Natur“ haben einerseits Verfassungsrang, sie sind aber in der Realität nicht einklagbar, wenn ihre Rechte verletzt werden. Es fehlt die entsprechende Institutionalität dafür. Ein im Land tätiger Entwicklungshelfer berichtet dazu: „Im Rahmen unseres Projektes, sollen unter anderem Wassereinzugsgebiete geschützt werden. Einige Wasserquellen, die sich auf privatem Boden befinden, verletzten die Vorschriften für den Schutz von Wassereinzugsgebieten. Somit baten wir das Umweltministerium, die privaten Besitzer aufzufordern, die entsprechenden Richtlinien einzuhalten. Das Ministerium erklärte sich aber für nicht zuständig. Letztendlich ist niemand zuständig“.

Weder während der 2. Regierungszeit von Correa und noch weniger unter den beiden folgenden Regierungen spielten die „Rechte der Natur“ eine Rolle. Ecuador ist aktuell das Land Lateinamerikas, das in Bezug auf seine Fläche, die größte Vernichtung natürlicher Ökosysteme erfährt. Im Brennpunkt steht immer Brasilien, wegen der immens großen Flächen, die zerstört werden, aber im Verhältnis zur Landesfläche sind die Zerstörungen in Ecuador größer.

In mehreren lateinamerikanischen Ländern wird viel von den „Rechten der Natur“, dem „Guten Leben“, der „Pacha Mama“ und indigenen Werten und Weltanschauungen geredet. Aber halt nur geredet.

Eine landesweit operierende Umweltbewegung gibt es in Ecuador nicht. Aber immer, wenn größere Eingriffe in die Natur geplant sind, organisieren sich darum herum Initiativen, wie etwa bei der Ölförderung im Nationalpark Yasuní oder bei Bergbauvorhaben, um Erze zu fördern oder Baumaterialien zu gewinnen.

Am zuverlässigsten und seit vielen Jahren aktiv im Umweltbereich ist der Dachverband der indigenen Bevölkerung, CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas de Ecuador – Konföderation indigener Nationen Ecuadors). Eine der zehn Forderungen im Rahmen der massenhaften Streiks im Jahr 2022 bezog sich auf die Umwelt: Aufhebung des Dekrets 95; die Ölförderungsgrenze wird nicht ausgeweitet, um die kollektiven Rechte und Territorien der indigenen Völker zu schützen.

Das Dekret 151 wurde geändert damit in den folgenden Gebieten keine Förderkonzessionen erteilt werden:
*Schutzgebiete und “Ahnenterritorien”
*Zonen, die als unberührbar erklärt wurden
*Archäologische Gebiete,
*Wassereinzugsgebiete
*Konsultationen bevor in indigenen Gebieten gefördert werden darf (Abkommen 169 der ILO und Standards, die durch den die CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos – Interamerikanische Kommission für Menschenrechte)

Wobei das alles nicht so einfach ist, denn auch die indigene Bewegung lässt sich gut spalten. Gegen entsprechende Ausgleichszahlungen oder -maßnahmen, werden indigene Gemeinschaften davon überzeugt, dass auf ihrem Gebiet doch Öl gefördert werden darf. Es ist alles ziemlich komplex und schwierig mit wenigen Worten zu beschreiben.

Am 20. August haben Wahlen in Ecuador stattgefunden, bei denen die linke Kandidatin Luisa González für die Partei Bürgerrevolution ein sehr gutes Stimmergebnis erreicht hat und am 15. Oktober in der Stichwahl mit dem Unternehmer Noboa steht.

Am 22.08.23 war im Göttinger Tageblatt zu lesen: „Die Wähler in Ecuador haben Ölbohrungen in einem geschütztem Amazonasgebiet eine Absage erteilt. In einer Volksabstimmung votierten etwa 60% gegen die Ölsuche im Yasuni-Nationalpark…. Das Ergebnis der Volksabstimmung ist ein Rückschlag für Präsident Guillermo Lasso, der mit Einnahmen aus den Ölbohrungen die Wirtschaft des Landes stärken wollte. Der staatliche Ölkonzern Petroecuador muss jetzt seine Anlagen in der Region abbauen“. In dem artenreichen Gebiet leben zwei Stämme in selbstgewählter Isolation“.

In ihrem Programm für die Präsidentschaftswahlen 2023-2025 hat Luisa González erklärt, dass das Ziel des Regierungsplans darin besteht, „ein gutes Leben in einer fairen und egalitären Demokratie zu erreichen, mit einem plurinationalen und interkulturellen Staat der Rechte und Gerechtigkeit, der unsere Freiheiten, Fähigkeiten und Bestrebungen in einer solidarischen Gesellschaft mit gleichen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und ökologischen Chancen fördert, damit alle Ecuadorianer gemeinsam den Weg gehen können, der in der Verfassung der Republik festgelegt ist“.

Bleibt auf ein linkes Wahlergebnis zu hoffen und damit darauf, dass die Rechte der Natur von der Utopie in Handeln münden und konkret umgesetzt werden.

Von Tim