Klärschlammverbrennung

Göttinger Linke warnt vor Fehlinvestition in vielfacher Millionenhöhe

Die Ratsfraktion der Göttinger Linken kritisiert die Pläne der sogenannten „Kommunalen Nährstoffrückgewinnung Niedersachsen GmbH“ (KNRN), Klärschlamm zu verbrennen. Sie weist darauf hin, dass es absehbar kein Verfahren gibt, um Klärschlammaschen EU-rechtskonform weiterzuverarbeiten. Einzig zulässig nach EU-Recht sei es, jetzt schon alle Schritte einzuleiten, um auch in Zukunft Klärschlamm weiter als Dünger in der Landwirtschaft einsetzen zu können und so EU-Recyclingvorgaben zu erfüllen.

Die Stadt Göttingen strebt als Mitgesellschafterin der KNRN an, gemeinsam mit weiteren Kommunen eine Monoklärschlammverbrennung in Hildesheim zu betreiben. Dabei ist jedoch nicht bekannt, wie Phosphor aus den Verbrennungsaschen zurückgewonnen werden soll, so dass von einem Recycling eines Großteils der Rohstoffe aus dem Klärschlamm gesprochen werden kann.

Edgar Schu, Mitglied der Göttinger Linke Ratsfraktion und Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl, weist auf den Ursprung der seit Jahren verfolgten Sackgasse Klärschlammverbrennung hin: „Gerade Deutschland hatte mit der in der Deutschen Ratspräsidentschaft unter Merkel entstandenen EU- Abfallrahmenrichtlinie von 2008 auf das Ash-Dec-Verfahren gesetzt und seine Gesetzgebung dahingehend geändert, dass alles Mögliche verbrannt und die Aschen recycelt werden sollten: Aus Klärschlamm, aus Müll und aus Biomasse wie z.B. Holz. Dies geschah im Rahmen des EU-Projektes SUSAN, das durch Umweltminister Jürgen Trittin im Jahr 2004 initiiert wurde. Man wollte mit Hilfe von chlorierendem Rösten die Schwermetalle aus den Aschen herausgasen, um die Aschen als Dünger oder Zement und damit als Produkt zu recyceln. Gerade die phosphorhaltigen Aschen aus Klärschlamm und Biomasse sollten mit dem enthaltenen Phosphor als Dünger „Phoskraft“ in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Das Ash-Dec-Verfahren ist aber gescheitert.“

Tatsächlich ist Deutschland das einzige Land der EU, in welchem immer noch gesetzgeberisch darauf hingearbeitet wird, die Ausbringung von Klärschlamm in der Landwirtschaft zu unterbinden.

Edgar Schu stellt weitergehend klar: „Klärschlamm aufs Feld zu bringen, wäre Recycling nach der EU- Abfallhierarchie. Was die KNRN aber anstrebt, ist die Deponierung als gefährlicher Abfall, nachdem sie den Klärschlamm systematisch mit ungeeigneten Verfahren behandelt, so dass sie die verbleibenden Aschen noch nicht einmal mehr als Zuschlagstoff für die Zementindustrie nutzen kann. Die Klärschlammverbrennung erfüllt auch nicht die R1-Kriterien der energetischen Verwertung und stellt somit ein Beseitigungsverfahren dar. Daraus können logischer Weise EU- Vertragsverletzungsverfahren folgen und jeder kommunale Akteur, der diese Entwicklungen ignoriert, riskiert Fehlinvestitionen in vielfacher Millionenhöhe. Also lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“

Wie gerade bekannt geworden ist, strebt das Land Niedersachsen nach Berichten vom 8.7.21 des NDR 1 „Niedersachsen erwägt Beregnung von Äckern mit Abwasser“ mit einem Landtagsbeschluss für entsprechende Modellversuche nun an, Felder mit Klärwasser zu beregnen. Ganz richtig heißt es in dem Artikel: „Nun geht es darum herauszufinden, wie verbliebene Schadstoffe wie Chemikalien oder Medikamentenreste aus dem Wasser herausgeholt werden können.“ In diesem Zusammenhang sind Veränderungen, die die EU mit ihrer Null-Toleranz-Strategie in den Blick genommen hat, wesentlich.

Torsten Wucherpfennig, Mitglied im Betriebsausschuss Umweltdienste, fasst abschließend zusammen: „Der Kläranlagenablauf enthält einen deutlich größeren Anteil der Gesamtfracht an Mikroplastik und organischen nicht abbaubaren Schadstoffen als Klärschlamm. Wenn es durch organisatorische Maßnahmen gelingt, den Ablauf so weit von Schadstoffen frei zu halten, dass er in der Landwirtschaft einsetzbar ist, dann kann der Klärschlamm erst recht aufs Feld gebracht werden.“

Erläuterungen zum Ash-Dec-Verfahren und zur EU-Null-Toleranz-Strategie:

Das Ash-Dec-Verfahren ist eine offenbar versehentliche Wiederholung des Marsberger-Kieselrot- Verfahrens, in Göttingen auch bekannt durch dioxinverseuchte Aschen von Sport- und Spielplätzen, mit denen man noch heute als dioxinverseuchte Altlast zu kämpfen hat. Zu spät fiel den Projektbeteiligten des Ash-Dec-Verfahrens auf, dass der Ash-Dec-Dünger dioxinverseucht war. Doch die EU-Rahmenrichtlinie unter deutscher Präsidentschaft war schon verabschiedet und die Weichen zur Klärschlammverbrennung gestellt, ohne dass ein Recycling-Verfahren für Phosphor in Sicht war. Nach dem Prinzip Hoffnung wurde die uneingeschränkte Verbrennungspolitik weitergeführt, obwohl die Hoffnung heute gestorben ist. Ash Dec ist gescheitert. Nun stehen wir vor einem Scherbenhaufen und müssen den Rückweg aus der Sackgasse finden.

Die EU weist seit der Vorlage der EU-Chemikalienstrategie („Null-Toleranz-Strategie“) vom Oktober 2020 und seit deren Annahme durch den Europäischen Rat am 15. März 2021 den Weg aus der durch das Scheitern von Ash Dec entstandenen Sackgasse: Mittels Chemikalienverordnungen sollen Mikroplastik, nicht abbaubare Bestandteile von Arzneimitteln und weitere Problemstoffe aus Produkten von vornherein herausgehalten werden. Industriebetriebe müssen durch Einleiterverordnungen dazu verpflichtet werden, entsprechende Schadstoffe überhaupt nicht mehr in die kommunalen Abwässer gelangen zu lassen. So sollen in Zukunft weder Abwässer noch Klärschlämme mit Schadstoffen belastet sein, um auf diese Weise 100 % des lebenswichtigen Phosphors in die Landwirtschaft zurück zu führen.

Von Redaktion