Gemeinsame Pressemitteilung der Göttinger-Linke/ALG-Ratsgruppe und des Ratsherrn Dr. Francisco Welter-Schultes im Göttinger Stadtrat, der LINKEN im Kreistag Göttingen und von Northeim 21 im Kreistag Northeim

Linke in Südniedersachsen: „Hintergründe der Kostenexplosion um 500 % werden vertuscht“

Inzwischen hat sich der Verdacht erhärtet, dass willentlich unrichtige Angaben über die Kosten der Umstellung der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung (MBA) Südniedersachsen zu massiven Fehlkalkulationen und einer Fehlplanung geführt haben. Dies ergibt sich aus der intensiven Untersuchung derjenigen Informationen, die der Abfallzweckverband Südniedersachsen (AS) bisher auf Nachfragen zum Vergabeverfahren für die Umstellung der MBA in Deiderode geliefert hat. Erwiesenermaßen fehlerhafte Kostenangaben wurden durch die Planer im Jahr 2017 gemacht und haben zu massiven Fehlkalkulationen in Höhe von 500 % geführt. Die Planer hatten Investitionskosten von 5 Millionen statt tatsächlich realistischer 30 Millionen Euro prognostiziert und hatten auf dieser Grundlage den Zuschlag bekommen.

Die Linken in den Kreistagen Göttingen und Northeim und im Stadtrat Göttingen sowie der Ratsherr Dr. Francisco Welter-Schultes prangern das unverantwortliche Gebaren der Geschäftsführung des AS an. Die Vermutung liege nahe, dass hier etwas vertuscht werden soll. Wurde möglicherweise der Auftrag für die Planung der Abfallbehandlung durch fahrlässig zu gering angesetzte Angaben durch die Planer erschlichen?

Torsten Wucherpfennig, Mitglied im Betriebsausschuss Umweltdienste des Stadtrats, weist auf den brisanten Kern des Vorgangs hin: „Es besteht mittlerweile der Verdacht, dass der AS gar keine europaweite Ausschreibung vorgenommen hat, sondern dem Planungsbüro im Verhandlungsverfahren ohne Marktabfrage den Auftrag direkt erteilt hat. So etwas ist zulässig, wenn eine Firma eine einzigartige Expertise hat, so dass nach billigem Ermessen nur sie den Auftrag erfüllen kann. Nun besitzt aber eine Firma entweder diese einzigartige Expertise und kann auch die Kosten schätzen. Unter Annahme einer solchen Expertise hätte sie aber mit Absicht falsche Angaben gemacht, wenn ihre Kostenprognose später um 500 % überschritten wird. Oder sie hat diese Expertise gar nicht. Dann hätte an sie aber nicht ohne öffentliche europaweite Ausschreibung vergeben werden dürfen.“

Bis zum heutigen Tag ist die bestehende mechanisch biologische Abfallbehandlung des AS verschlissen – unter Fachleuten sagt man „ans goldene Ende gefahren“ -, weil der AS unter Begleitung der Planer auf die Umstellung auf ein wirtschaftlich nicht umsetzbares Verfahren hingearbeitet und damit eine Fehlplanung verfolgt hatte.
Aktuell bleibt dem AS nun nichts anderes übrig, als die biologische Feinfraktion des Restmülls aus ganz Südniedersachsen an eine Müllverbrennung außerhalb der Region zu liefern. Zu den durch diese externe Ausschreibung steigenden Betriebskosten hat der AS keine Kostenschätzung vorgelegt, geschweige denn diese Mehrkosten sich formal durch die Gremien genehmigen lassen.

Dr. Eckhard Fascher Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Kreistag Göttingen: „Die gestiegenen Betriebskosten will der AS offensichtlich erst nach der Kommunalwahl anzeigen, obwohl er sie eigentlich jetzt schon einschätzen kann. Dies erst nach der Wahl bekannt zu geben, würde demzufolge bedeuten, den Bürger über das wahre Ausmaß der Kosten vor der Wahl im Unklaren zu lassen.“

Es geht insgesamt um höhere Betriebskosten und den Verlust von Arbeitsplätzen auf der Anlage des AS in Deiderode sowie auf der Deponie in Blankenhagen.

Die Unterzeichner fordern den AS auf, nach so langen Verzögerungen nun endlich die Unterlagen des Vergabeverfahrens für die Umstellung von Nass- auf Trockenvergärung aus dem Jahr 2017 der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, und zwar bis zum Freitag, 10.09.2021.

Wir legen dieser Pressemitteilung eine Stellungnahme des Untersuchungsausschusses, bestehend aus den Ratsleuten Dr. Francisco Welter-Schultes und Edgar Schu bei, welche sich vergeblich um entsprechende Akteneinsicht bemüht hatten. (siehe Anhang unten)

Anhang

Erklärung zur bisherigen Akteneinsicht beim Abfallzweckverband Südniedersachsen

Die Unterzeichnenden erklären:

Der Geschäftsführer des Abfallzweckverbands Südniedersachsen (AS), Herr Markus Rybarczyk, teilte in seiner Antwort vom 16.04.2021 auf eine Anfrage der Ratsgruppe Göttinger Linke/ALG an den Stadtrat Göttingen mit, dass „der AS nach einer europaweiten Ausschreibung die Planungsleistungen für die Errichtung der Trockenvergärung an das Witzenhausen-Institut vergeben hat.“

Dabei wies der Geschäftsführer darauf hin, dass er entsprechende Auskünfte schon in seiner Stellungnahme vom 24.11.2020 zu „teilweise identischen Fragen“ gegeben habe.

In besagter Stellungnahme vom 24.11.2020 behauptete Herr Rybarczyk, dass die Unterzeichnenden bereits Akteneinsicht in die erwähnte europaweite Ausschreibung gewährt bekommen hätten. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Ganz im Gegenteil lag die Ausschreibung bei der Akteneinsicht am 19.12.2019 nicht vor, so dass sie bei einem weiteren Termin im Nachgang vorgelegt werden sollte.

Mit E-Mail vom 12.03.2020 sagte der AS unter anderem die Einsicht „in die Ausschreibung der Planungsleistungen der Trockenvergärung“ zu.

Dieser Termin fand jedoch aufgrund der Corona-Pandemie nicht statt und wurde auch in der Zeit danach bis heute nie nachgeholt.

Da Herr Rybarczyk sowohl in seiner Antwort vom 16.04.2021 als auch in der Stellungnahme vom 24.11.2020 den Anschein erweckt hat, dass wir die europaweite Ausschreibung für die Planungsleistungen der Trockenvergärung schon vorgelegt bekommen hätten, dies aber nicht der Fall ist, entsteht bei uns der Eindruck, dass er davon ablenken wollen könnte, dass es gar keine europaweite Ausschreibung im eigentlichen Sinne gibt.
Die angefragten Unterlagen wurden uns nun nach mehrmaliger Thematisierung immer noch nicht vorgelegt, obwohl es sich bei einer Ausschreibung um kein Dokument handelt, das aus irgend welchen Gründen durch Nichtöffentlichkeit geschützt sein müsste. Statt diese Ausschreibung der Einfachheit halber schlicht per E-Mail vorzulegen, gab der Geschäftsführer des AS nun im Gegenteil schon mehrfach vor, dass die Unterzeichnenden die Ausschreibung bereits im Rahmen einer Akteneinsicht vorgelegt bekommen hätten.

Aufgrund dieser Abläufe vermuten die Unterzeichnenden daher, dass es– wie es in der Branche nicht selten zur Anwendung kommt – lediglich ein Papier gibt, welches besagt, dass das Witzenhausen-Institut aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen als einziges Planungsbüro diesen Auftrag erfüllen könne und dass es daher den Auftrag in einer freihändigen Vergabe ohne Wettbewerb bekommen haben könnte.

Wenn sich die Vergabeentscheidung aber an der Alleinstellung der Fachkompetenz des Witzenhausen-Institutes aufgrund der Erfahrung mit dem Trockenvergärungsverfahren orientiert, ist auf die Verbindlichkeit der Kostenschätzung ein noch höheres Augenmerk zu legen, was die bekannte Kostenexplosion von 5 Mio auf 23,5 Mio Euro (+/- 25 %) in einem ganz neuen Licht erscheinen ließe.

Wir haben also den Eindruck, dass Herr Rybarczyk uns und dem Rat durch die Art, wie er die Informationen in den beiden erwähnten Schreiben gegeben hat, getäuscht hat, um uns auf diese Weise eine Urkunde vorzuenthalten und damit die Einsicht in maßgebliche Unterlagen unterdrückt hat.

Unterzeichnende dieser Erklärung:

  • Edgar Schu
  • Francisco Welter-Schultes

Von Redaktion