19.März 2018

Ein Kleinbus für La Paz Centro und der gute Mensch Theuvsen

Am 14. März meldete das Göttinger Tageblatt, dass der Verwaltungsausschuss der Stadt Göttingen auf Initiative der Ratsfraktion der Wählergemeinschaft Göttinger Linke der Finanzierung eines Kleinbusses zum Transport von Dialysepatienten in der Partnerstadt La Paz Centro in Nicaragua zugestimmt hat. Dies geschah gegen die Argumentation von Ratsherr Ludwig Theuvsen (CDU) und Frau Oldenburg von der FDP, die eher die Göttinger Tafel oder andere lokale Initiativen unterstützen wollten anstatt EUR 35,000 nach Nicaragua zu senden. „Der Rat soll keine Entwicklungshilfe leisten, und nicht die sozialen Probleme vor Ort ignorieren.“ Da muss man Herrn Theuvsen wohl dringend erinnern: Bürgerinnen und Bürger in Göttingens Partnerstadt La Paz Centro erkranken schwer, damit Göttinger Bürgerinnen und Bürger "Bio"-Sprit in ihre Autos tanken können.

Die meisten Leute, die erkranken, arbeiten auf Zuckerrohrplantagen zur Produktion von Ethanol als Benzinzusatz in Europa. Wenn man es so sieht, ist die Spende noch nicht einmal eine humanistische Großtat, sondern eher eine Entschädigungszahlung. Es ist schon ziemlich unangenehm, wenn Herr Theuvsen hier die Armut der Einen gegen die Armut der Anderen ausspielt. So ärgern ihn nicht etwa die Milliarden Dividenden, die an Aktienbesitzer ausgeschüttet werden, es ärgern ihn nicht die niedrigen Kapitalertragssteuern oder auch die horrenden Summen für die Rüstung: Nein, Herr Theuvsen ärgert sich über 35.000 Euro, die – in einem Städtepartnerschaftsprojekt (!) – innerhalb eines humanitären Projektes an eine Stadt in einem der ärmsten Länder dieser Welt gegeben werden!

In bester Manier der Pegida oder auch der AFD schürt er den Neid derer, die durch die Politik seiner Klassengenossen sozial abgehängt sind. Nicht die Frage, warum es eigentlich immer mehr „Tafeln“ gibt, lässt ihn sich öffentlich äußern, sondern die Frage, warum todkranke Nierenpatienten Geld für einen Micro-Bus bekommen statt derjenigen, die in diesem Lande Hunger schieben müssen.

Ja, denjenigen, die auf die „Tafeln“ angewiesen sind, sollte geholfen werden – und das können die Parteifreunde von Herrn Theuvsen und Frau Oldenburg relativ schnell regeln: Abschaffung von Hartz IV, eine höhere Grundsicherung, höhere KdU-Sätze, vernünftige Finanzierung der Kommunen – bezahlt durch höhere Spitzensteuersätze – und schon benötigen die „Tafeln“ keine Zuschüsse mehr. Und warum ist der Exportweltmeister Deutschland nicht auch Weltmeister in sozialer Absicherung seiner Bürgerinnen und Bürger? Wieso kann eines der reichsten Länder der Welt nicht gewährleisten, dass alle ein menschenwürdiges Leben führen können ohne von "Tafeln" abhängig zu sein. Alleine schon der Begriff ist zynisch. Nach dem Bedeutungswörterbuch des Duden ist eine Tafel ein "großer, für eine festliche Mahlzeit gedeckter Tisch".

Herr Theuvsen aber baggert bei den niedrigsten Instinkten: Beim Neid! Da ist er nicht mehr weit entfernt davon, dass auch in Göttingen keine Speisen mehr an „Ausländer“ ausgegeben werden dürfen: Die sollen doch „zu Hause“ essen, was sie wollen! Ja, Herr Theuvsen befindet sich bereits in bester Nachbarschaft zur AfD. Der Ärger über die Ratsmitglieder Theuvsen und Oldenburg soll aber nicht die Freude und Genugtuung darüber schmälern, dass eine Ratsmehrheit hier schnell in einem solidarischen Akt auf die akute Notsituation in La Paz Centro mit der Bereitstellung der 35.000 € für den Kleinbus reagiert hat. Es bleibt zu wünschen, dass die betroffenen Dialysepatienten, im wesentlichen Zuckerrohrarbeiter, durch diese Spende ermutigt werden, sich weiterhin für bessere Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in ihrer Stadt einzusetzen. Dies ist besonders jetzt wichtig, da es erste Ansätze unter den Betroffenen gibt, sich selbst zu organisieren.

 

 

 

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